Freitag, 10. Juli 2015

Der Kondensator-Kollaps

Warum manche Geräte nach einem Stromausfall nicht mehr funktionieren.


Dient als Beispiel: Der Router von Netgear.
Jahrelang verrichtete der hier exemplarisch vorgestellte Router des Herstellers Netgear unauffällig seinen Dienst. Bis zu einen Stromausfall seitens des Netzbetreibers. Nach der Wiederherstellung der Stromversorgung stellte der Router keine Internetverbindungen mehr her. Der Grund des Ausfalls lag nicht am Elektroversorgungsunternehmen (EVU) sondern an der Alterung der Elektrolyt-Kondensatoren im Spannungswandlerteil des Routers. Die leicht gelbliche Verfärbung auf der Oberseite des Gehäuses deutete auf eine hohe thermische Belastung der Bauteile hin. Grund genug, diesem Gerät mal unter die Haube zu schauen.

Elektrolytkondensatoren – Bauteile mit Ablaufdatum


Fabrikneue Elektrolyt-Kondensatoren.
Ein Elektrolytkondensator (Elko) ist ein gepolter Kondensator. Die Anoden-Elektrode besteht aus einem Metall, auf dem durch Elektrolyse eine Isolierschicht aufgebracht wird. Sie bildet das Dielektrikum. Der Elektrolyt ist in den meisten Fällen eine elektrisch leitende Flüssigkeit. Sie bildet die Kathode des Elektrolytkondensators. Dieser Aufbau gestattet es große Kapazitäten, und damit Energie, auf vergleichsweise kleinem Raum unterzubringen. Elkos sind, neben den Leistungshalbleitern, die zentralen Bauteile eines Schaltnetzteils. Sie verdrängten herkömmliche Netzteile mit Netztrafo, Gleichrichter und Stabilisierung während der letzten 10 Jahre nahezu vollständig vom Markt. Diese Kondensatoren stellen aber zugleich hochbelastete Bauteile dar. Deren technische Parameter findet man in den Hersteller-Datenblättern. Neben den elektrischen Parametern ist das Lebensdauerdiagramm interessant. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei diesem Diagramm um die Darstellung der zu erwartenden Lebensdauer in Abhängigkeit von Bedingungen wie Ripplestrom und Umgebungstemperatur. Darin ist klar erkennbar, je höher der Ripplestrom und je höher die Umgebungstemperatur ist, desto kürzer ist die zu erwartende Lebensdauer. Wie groß der Einfluss der Temperatur ist, zeigt schon die in der Industrie etablierte „10-Kelvin-Regel“: Die Absenkung der Betriebstemperatur um 10K bedeutet eine Verdoppelung der Lebensdauer. Ein Beispiel:
Das Datenblatt eines Elkos nennt eine Lebensdauer von 5000 Stunden bei einer Betriebstemperatur von 105°C. Mit anderen Worten: Nach etwa 208 Tagen Betriebsdauer hätte der Elko das errechnete Lebensende erreicht. Bei 55°C Betriebstemperatur sähe das Ergebnis so aus: 160.000 Stunden oder 18 Jahre und 3 Monate würde der Elko rechnerisch durchhalten.

Kostendruck führt zu frühen Ausfällen


3 defekte Elkos auf der Routerplatine.
Die oben errechneten Ergebnisse sehen zunächst sehr vielversprechend aus. Die Praxis zeigt ein anderes Bild. Consumergeräte stehen in einem harten Wettbewerb und müssen sich auf einem Markt behaupten, in dem weitgehend der Preis das größte Kaufargument ist. Folglich versucht der Hersteller an jeder Ecke zu sparen. Im Besonderen da, wo es nicht sofort auffällt – bei den verwendeten Bauteilen. Große Gehäuse mit guten Belüftungen benötigen viel Material. Also wird das Gehäuse auf ein Mindestmaß reduziert, auch wenn im Innern hohe Temperaturen entstehen, die schlecht nach Außen abgeführt werden können. Elkos werden so dimensioniert, dass sie sehr wenige oder gar keine Reserven bieten, was die Spannungsfestigkeit und Kapazität angeht. Und natürlich wird in der Regel der billigste Hersteller ausgewählt. Die hohe Packungsdichte auf den Platinen bedingt, dass sich thermisch belastete Bauelemente auf engstem Raum zueinander befinden und sich gegenseitig aufheizen. Die technischen Daten verschlechtern sich im Betrieb bei jedem Elko. Der flüssige Elektrolyt im Elko ist die Hauptursache für die endliche Lebensdauer. Höhere Temperaturen und höhere Spannungen, die den Alterungsprozess beschleunigen, sind dafür verantwortlich. Grenzwertige Dimensionierungen seitens der Entwickler beschleunigen den Prozess zusätzlich, so dass Elkos sehr viel früher ausfallen, als dies unter optimierten Bedingungen der Fall wäre. Herstellerseitig besteht nur wenig Interesse, in die Lebensdauer des Gerätes über die Herstellergarantie hinaus zu investieren.

Ausschalten – Einschalten – Kaputt?


Wie kommt es nun zu dem Phänomen, dass jahrelang am Netz hängende Geräte nach einem Stromausfall oder auch nur nach dem Aus- und Wiedereinschalten nicht mehr funktionieren? Nun, die größte Belastung entsteht beim Einschalten eines Gerätes. Für kurze Zeit wird unter Umständen ein Vielfaches des Stroms benötigt, der im Stand-by oder im Normalbetrieb nötig ist. Genau zu diesem Zeitpunkt ist der Stress für die Stromversorgung am größten. Die Elkos müssen hohe Ströme zur Verfügung stellen. Vorgeschädigte Elkos, die in der Regel schon im Neuzustand am Limit dimensioniert waren, versagen dabei den Dienst. In dieser Folge kann das Netzteil weder die nötige Spannung noch den geforderten Strom liefern. Das Gerät schaltet sich erst gar nicht ein oder funktioniert nur noch eingeschränkt.
Kaum eine Gerätegattung, die nicht von diesem Phänomen betroffen wäre: PCs, Drucker, Sat-Receiver, Monitore, Steckernetzteile, Ladegeräte. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Sichtbare Schäden


Enge Bestückung und hohe Temperaturen im PC-Netzteil.
Der frühe Ausfall ist programmiert.
Im fortgeschrittenen Stadium sind defekte Elkos schon mit bloßem Auge sichtbar. Die Aluminiumkappe zeigt dann im Bereich der Sollbruchstellen eine deutliche Wölbung. Der Druck im Inneren des Elkos, hervorgerufen durch die Bildung von Wasserstoffgas, steigt und bläht den Elko bis zum Zerplatzen auf. Die Sollbruchstelle sorgt dafür, dass dies weitgehend kontrolliert abläuft. Gelegentlich ist auch der Dichtgummi am Fuß des Elkos aus der Pressung gedruckt. Ausgelaufener Elektrolyt ist elektrisch leitend und trocknet als bräunlich gefärbter, verkrusteter Belag. Die Leitfähigkeit des flüssigen Elektrolyts kann zu Kurzschlüssen auf der Platine führen und weitere Schäden nach sich ziehen. Im nebenstehenden Bild erkennt man die defekten Elkos am dunklen Belag und an der leichten Wölbung der Alu-Kappe.

Die Reparatur


Die Ekos wurden erneuert. Der Router ist repariert.
Solange ausgelaufener Elektrolyt keinen Schaden verursacht hat, ist eine Reparatur durch Austausch der defekten Elkos möglich und in der Regel auch erfolgreich. Die Hauptarbeit besteht meist darin, die betroffene Platine im Gehäuse freizulegen. Das ist mitunter auch der Grund, warum die Reparatur bei billigen Geräten sich nur auszahlt, wenn man sie in Eigenregie erledigen kann. Am hier gezeigten Netgear-Router waren drei Elkos sichtbar defekt. Wir löteten die alten Elkos aus, neue Elkos ein und reinigten die Lötstellen. Inklusive Zusammenbau und Test an der DSL-Leitung war die Arbeit in 20 Minuten erledigt. Materialkosten: Unter 3 Euro. Zugegeben, dieser Router war sehr reparaturfreundlich. Bei Monitoren ist es meist recht schwierig, den Rahmen zu entfernen, um an die entsprechenden Platinen zu kommen. Bei älteren Monitoren sind auffällig oft die Hochspannungskondensatoren der Hintergrundbeleuchtung defekt. Die Elkos auf älteren PC-Mainboards  sind gehäuft im Bereich des CPU-Sockels von Defekten betroffen. Die gedrängt platzierten Elkos sind sehr schwer auszulöten. Zum einen kann man die Elkos schlecht mechanisch greifen und zum anderen handelt es sich bei Mainboards um sogenannte durchkontaktierte Mulitlayer-Platinen. Hier sind nicht nur auf und unter der Platine Leiterbahnen, sondern auch noch mehrere Lagen unsichtbar im Innern. Wer hier ungeschickt auslötet, beschädigt schnell die Durchkontaktierung und degradiert das Mainboard augenblicklich zu Elektronikschrott. Das ist also ein Job für erfahrene Löter.
Da Elkos eine Polung besitzen, muss diese auch beim Einbau unbedingt berücksichtigt werden. Falsch gepolte Elkos explodieren und der auslaufende Elektrolyt beschädigt weitere Bauteile.
Beim Kauf von Ersatzelkos schadet es nicht, einen etwas höheren Kapazitätswert und/oder die nächst höhere Spannungsfestigkeit zu wählen. Immer vorausgesetzt, der Ersatz-Elko passt mechanisch an die vorgesehene Stelle.

Tipps

Die schaltbare Steckdosenleiste ist eine preiswerte
Lebensverlängerung für Elektrogeräte
Schalten Sie Geräte am besten ab, wenn sie nicht benötigt werden. Wir verwenden entweder Schuko-Zwischenstecker mit Schalter oder schaltbare Steckdosenleisten. Ständig eingesteckte Netzteile oder Geräte im Stand-by verbrauchen nicht nur unnötig Strom, sondern fallen in der Regel viel früher wegen Defekten aus. So haben sich ein paar Euro für eine gute Steckdosenleiste schnell bezahlt gemacht.

Je früher sie den Defekt durch schadhafte Elkos bemerken, desto höher ist die Chance, dass das Gerät nach der Frisch-Elko-Kur wieder funktioniert. Schieben sie Reparaturen deshalb nicht auf.